Abteikirche Offenbach

Artikel von Dr. Andrea Puffke

Die ehemalige Benediktinerpropsteikirche St. Marien

in Offenbach am Glan

Andrea Pufke

Unter den frühgotischen Sakralbauten Deutschlands nimmt die ehemalige Benediktinerpropsteikirche und heutige evangelische Pfarrkirche in Offenbach am Glan eine besondere Rolle ein. Anschaulich lässt sich an ihr der allmähliche Übergang von der rheinisch-spätromanischen zu der in Frankreich entwickelten, modernen gotischen Bauweise nachvollziehen. Deutlich stehen in Offenbach die beiden Stile nebeneinander. Das gotische System mit seiner reichen Wandgliederung, dem inneren Dienst- und äußeren Strebepfeilerapparat, scheint der Wand vorgelegt zu sein, ohne ihren für die Romanik charakteristischen, blockhaft massiven Charakter aufzugeben. Die spitzbogigen Fenster erhalten gotisches Maßwerk, öffnen sich jedoch nur zögerlich in ihrer gedrungenen Gestalt und lösen die Wand noch nicht auf in ein schimmerndes, lichtdurchflutendes Netz aus steinernen Figurationen und bunter Glasmalerei, wie es die großen französischen Kathedralen in Chartres, Paris, Reims und Amiens vorspielen. Am eindringlichsten gibt der bauplastische Schmuck der Kapitelle die gotische Formenübernahme in Offenbach zu erkennen: Dieser reicht von romanischen Fabelwesen- und Palmettenkapitellen im Chorbereich der Kirche über frühgotische, wuchtige Knospenblätter hin zu naturalistischen, lose um den Kapitellkorb wachsenden Blattformen im nördlichen Querarm und Langhaus.

Geschichtliche Entwicklung

Das Kloster geht auf eine Stiftung aus dem Jahre 1150 zurück. Ritter Reinfried von Rüdesheim vermachte dem Benediktinerkloster St. Vinzenz in Metz einen Teil seines Erbes in Offenbach und Umgebung, um den Ort mit Mönchen zu besiedeln. Eine Stiftungsurkunde gibt darüber Auskunft, daß Reinfried den Abt von Metz verpflichtete, mindestens drei seiner Mönche stets in Offenbach wohnen und priesterlichen Dienst versehen zu lassen. Die Gründung wurde zwanzig Jahre später vom Erzbischof von Mainz, Heinrich I. 1170 bestätigt, in dessen Diözese die neue Propstei lag. Metzer Benediktinermönche zogen daraufhin nach Offenbach.

Über die Frühzeit des Klosterbaus ist wenig bekannt. Die heutige Klosterkirche entstand über den Fundamenten einer Vorgängerin, welche in späteren Jahren grundlegend erneuert wurde. Hiervon zeugen romanische Säulenbasen und -kapitelle, die sich im Lapidarium befinden sowie der leicht verschobene Grundriß der östlichen Apsiden. Zu welchem Zeitpunkt mit einem Neubau der Kirche begonnen wurde, läßt sich nicht genau bestimmen, weil Baunachrichten fehlen. Stilistische Vergleiche ermöglichen allerdings, insgesamt fünf Bauabschnitte zu rekonstruieren:

Die gestaffelte Choranlage bis zu den östlichen Vierungspfeilern wurde in einem ersten Abschnitt ab 1225/30 bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet. Im Innern gestaltet sich jede der drei Apsiden als geschlossener, blockhafter Baukörper, in den einfache spitzbogige Fenster eingeschnitten sind, die von eingestellten Säulchen mit Schaftringen begleitet werden. Den in der romanischen Epoche geprägten Schmuckformen entsprechen die vielfältigen Drachen-, Kelchknospen- und Palmettenkapitelle, die im Chor überwiegen. Das Äußere der Apsiden gliedern ebenso einheitlich, fünffach getreppte Strebepfeiler, deren Satteldachabschlüsse in lilienförmigen oder knaufähnlichen Bekrönungen enden.

Für die Detailgestaltung der Ostteile wirkten sich burgundische und lothringische Einflüsse aus, die besonders an der massigen Wandauffassung zu beobachten sind und von burgundisch beeinflußten Zisterzienserbauten herrühren. Details wie die Strebepfeiler, die maßwerklosen Fenster mit En-délit-Diensten oder die diamantierten Rippen verweisen auf die um 1210-1230 entstandenen Bauten im Kloster Maulbronn (Paradies, Herrenrefektorium, südlicher Kreuzgangflügel), besonders aber auf den Dom in Magdeburg (Chorumgang, Kapellen, Bischofsgang, 1209-1230).

An einer Baunaht, die sich von der südlichen zur nördlichen Stirnwand des Querhauses zieht, ist abzulesen, daß der gesamte Ostbereich der Kirche, d.h. der Chor mit seinen Nebenapsiden, in einem Zuge errichtet wurde. Oberhalb des vierbahnigen Fensters im Nordquerarm schließt sich eine zweite Naht an, die Giebel- und Wandzone voneinander trennt. Die unterschiedlich gestalteten großen Fenster in den Stirnwänden des Querhauses belegen dann anschaulich, das der Bauteil von Süden nach Norden in zwei weiteren Abschnitten vorangeschritten ist.

Dieser zweite Bauabschnitt umfaßt den um 1240 errichteten südlichen Querarm mit dem südwestlichen Vierungspfeiler. An die romanischen Bauformen der Chorpartie erinnern hier noch die rundbogigen Fenster in der Ostwand des Querarmes sowie die reich verwendeten Schaftringe und schlanken Kelchknospenkapitelle am gestaffelt-dreibahnigen Fenster in der Stirnseite. Die bauplastischen Formen finden sich ähnlich am 1241 datierten Westfenster der ehemaligen Zisterzienserabtei in Otterberg wieder. Eine unmittelbare Verbindung läßt sich aber von dem Maßwerk im Obergaden des südlichen Querarms im Straßburger Münster, um 1225, herleiten. Bis auf die Schaftringe gleichen sich die flachen, über viereckige Sockel vorkragende Tellerbasen und Kapitelle mit polygonalen Deckplatten der rahmenden Fensterdienste.

Stilistisch fortschrittlicher ist der nördliche, bald nach 1250 begonnene Querarm, der sich von seinem südlichen Pendant durch einheitlich auftretende, zweibahnige Maßwerkfenster und naturalistisches Blattwerk an den Kapitellen hervorhebt. Das große, vierbahnige Lanzettfenster in der Stirnwand mit seinen mit Fünf- und Sechspässen einbeschriebenen Okuli im Couronnement und dem im Innern vorgelegten Rundstab weist deutliche Anklänge an Fenster französisch-frühgotischer Bauten auf. Die charakteristische Form des zweigeteilten Mittelpfostens ist mit Fenstern im Langhaus der Kathedrale von Amiens (1235 vollendet) und auch mit dem Neubau der Abteikirche St. Denis bei Paris (1213-1245) vergleichbar. Bei der stilistischen Ableitung des architektonischen Dekors im nördlichen Querarm und Langhaus, besonders der Kapitellplastik, ist die ehemalige Templerkapelle im rheinhessischen (Fürfeld-)Iben zu nennen. Vermutlich von einer französischen Bauhütte errichtet, weist der bislang undatierte, einheitlich strukturierte Bau Kapitellformen auf, die nahezu identisch in der Reimser Kathedrale zu finden sind und ebenso in der Offenbacher Kirche auftreten.

Bis gegen 13000 wurde sodann das Langhaus mitsamt der Westfassade errichtet. Die Rekonstruktion eines westlichen Figurenportals wird durch zwei noch vorhandene, zur Zeit in der katholischen Pfarrkirche aufgestelle Apostelfiguren unterstützt. Schließlich erhielt die Kirche den Vierungsturm, dessen Maßwerkfenster und die Einzelformen des Gewölbes auf das beginnende 14. Jahrhundert verweisen.

Zerstörung und Wiederaufbau

Im Jahre 1474 übernahmen die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken die Schirmvogtei über das Kloster. In den darauffolgenden, über 200 Jahre dauernden Auseinandersetzungen mit dem Offenbacher und Metzer Konvent um die Klosterbesitzungen spielte die Erhaltung der Bauten offensichtlich nur eine geringe Rolle. Nachdem die Propstei 1538 säkularisiert wurde und die Mönche den Ort verlassen hatten, blieb die Kirche, welche schon zu Klosterzeiten von der ansässigen Ortsgemeinde mitgenutzt wurde, zunächst katholisch. Seit dem Übergang der Wild- und Rheingrafen von Grumbach zum reformierten Glauben im Jahre 1588 existieren in Offenbach beide Konfessionen nebeneinander.

Der mehrfache Besitzerwechsel, die jahrhundertelangen Vernachlässigungen, Schädigungen durch Kriegseinwirkungen und Plünderungen führten schließlich in den Jahren 1808-10 zum teilweisen Abbruch des inzwischen baufälligen Gotteshauses. Das dreischiffige Langhaus mitsamt seiner Westfassade wurde bis zu den westlichen Vierungspfeilern abgetragen; es verblieb nur noch ein Joch des südlichen Seitenschiffes. Die Kirche erhielt eine provisorische Abschlußwand, um sie anschließend wieder liturgisch nutzen zu können. Die letzten Teile der Konventgebäude wurden bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts niedergelegt, als man 1855 das Schulhaus (heute Klosterstraße 14) und 1874 das katholische Pfarrhaus (heute Klosterstraße 3) auf dem nördlichen Areal der Klosterkirche errichtete. Relikte der ehemaligen Klosterbauten, die sich direkt an der Nordseite des Kirchenschiffs anschlossen, sind noch durch einen schmalen Mauervorsprung zu sehen.

Es zeigte sich alsbald, daß der Teilabbruch der Kirche zu schwerwiegenden, statischen Problemen führte. Um die Last des über der neuen Westfassade aufstehenden Vierungsturms sicher abzuleiten, mußte das Langhaus wieder ergänzt werden. Nach ersten Vorbereitungen 1883 führte man den Wiederaufbau in den Jahren 1892-94 unter der Leitung des Kreisbauinspektors Koch aus Saarbrücken durch. Regierungsbaumeister Gronewald oblag die Bauleitung, die 1889 genehmigten Pläne für die Wiederherstellung lieferte Regierungsbaumeister Bennstein. Allerdings wurde nicht das gesamte Schiff, sondern lediglich das östliche Langhausjoch vervollständigt sowie ein Mittelschiffsjoch angefügt. Nicht unerwähnt sei, daß sich kritische Stimmen in der Bevölkerung gegen die Abtragung der Langhausjoche häuften, und mit dem Verweis auf den kunsthistorischen Rang der ehemaligen Propsteikirche ihren Wiederaufbau forderten.

Maßgeblichen Anteil an der Wiederherstellung der Kirche hatte der Superintendent und Kreisschulinspektor Karl Metz. Dem kunsthistorisch interessierten, seit 1871 der evangelischen Kirchengemeinde vorstehenden Pfarrer ist ebenso die Initiative zur Spoliensammlung zuzuschreiben (s.u.). Schließlich dienten die Architekturfragmente neben dem erhaltenen südlichen Langhausjoch als Vorlagen für das zu rekonstruierende Kirchenschiff. Das restauratorische Konzept basierte denn auch auf einer getreuen Kopie der wiederzuerrichtenden Bauteile analog vorhandener Muster. Letztlich galt es, die qualitative Ausführung des – verlorengegangenen – Originals (wieder-) zu erreichen. Um eine möglichst exakte Formenübernahme zu garantieren, wurden die neuen Werkstücke genauestens auf der Grundlage abgezeichneter Architekturfragmente zubehauen oder über Gipsmodelle vermutlich sogar abgegossen. Eine solcherart originalgetreue Rekonstruktion, welche die Grenzen zwischen originalem alten und ergänztem neuen Bestand verwischt, stellt eine typische Verfahrensweise des 19. Jahrhunderts dar.

Bereits im November 1893 waren die Bauarbeiten im Wesentlichen fertiggestellt, so daß die Kirche wieder genutzt werden konnte. Dennoch zeigte sich bald, daß die Schäden am mittelalterlichen Bau gravierender waren als angenommen. Nachträgliche Arbeiten fanden in den Jahren 1894/95 unter örtlicher Aufsicht des Pfarrers Metz statt. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde das bis dahin vermauerte Nordportal zum ehemals angrenzenden Klausurbereich wieder geöffnet und das Lamm Gottes am inneren Tympanon hergestellt. Die Kirche konnte im Oktober des Jahres 1894 feierlich geweiht und der evangelischen Kirchengemeinde übergeben werden.

Die Restaurierung des 19. Jahrhunderts berücksichtigte die ebenfalls geschädigten Ostteile der Klosterkirche nicht. Zunehmend verwitterten und zerfielen die Steine. Hauptsächlich betroffen waren Zierglieder wie Strebepfeilerbekörnungen und das Fenstermaßwerk. Zusätzliche Fundamentabsenkungen und Rissebildungen führten nochmals zu einer grundlegenden Restaurierung in den Jahren 1962-70.

Beschreibung der Kirche

Das Äußere. Die Kirche ist als geostete, dreischiffige Pfeilerbasilika mit Querhaus und einem gestaffelten, d.h. aus Hauptapsis und Nebenapsiden bestehenden Chor errichtet worden. Als Material wurde gelber, in Quadern behauener Sandstein verwendet. Das ehemals drei Joche umfassende Langhaus ist im System der gotischen Travée (einem queroblongen Mittelschiffsjoch entsprechen quadratische Seitenschiffsjoche) eingewölbt. Hieran schließt sich ein dreijoches Querhaus, dessen südlicher Arm über die Langhausflucht vortritt. Die Querarme sind verschieden lang. Vierung und südlicher Querarm sind quadratisch, der nördliche ist aufgrund des Geländes verkürzt und leicht längsrechteckig. Den östlichen Abschluß bilden die gestaffelten, polygonal gebrochenen Apsiden mit 5/8-Schluß. Die nach Osten vorspringende Hauptapsis zeichnet ein eingeschobenes, schmales Vorjoch aus.

Den Außenbau dominieren im Osten mächtige, vielfach getreppte Strebepfeiler mit Giebelverdachungen und Kreuzlilien oder knaufförmigen Bekrönungen. An der Nordwestecke des Querhauses ist ein schräg gestellter Treppenturm plaziert. Die Mauerflächen gliedern eingeschnittene Spitzbogenfenster, die von einem kräftigen Kehle-Wulst-Profil, das auf schlanken eingestellten Säulchen ruht, umrahmt werden. Die Säulchen sind durch Schaftringe akzentuiert und tragen Knollen- oder Adlerkapitelle mit kräftig profilierten Deckplatten. Konsolenfriese an den Apsiden und ein vermutlich den gesamten Bau ehemals umziehender Rundbogenfries schließen die Mauern zum Dach hin ab. Das höher aufragende Chorjoch endet in einem Giebel, dem ein steigender Bogenfries vorgelegt ist. Er trennt den Chorbereich vom Langhaus.

Über der quadratischen Vierung steigt ein imponierender Turm auf. Vier tief eingezogene, rundbogig schließende Trompen mit kräftig profilierten Überfangbögen, die von Eckdiensten unterstützt werden, leiten im Innern in das Achteck des von Maßwerkfenstern durchbrochenen Glockengeschosses über. Das kuppelförmige, achtteilige Gewölbe steigt über figuren- und blattgeschmückten Konsolen auf. Die Rippen sind als angespitzte Rundstäbe gebildet. Zwei, als sphärische Dreiecke gestaltete Fenster mit reichen Maßwerkgliegerungen beleuchten die Kuppel. Eines gestaltet sich als Dreistrahl mit zweibahnigen Lanzettfenster und bekrönendem Vierpaß. Das andere weist einen Vierpaß und Fischblasenmuster auf. Die Polygonwände des von einem Gesims getrennten Glockengeschosses werden auf sieben Seiten durch zweibahnige Maßwerkfenster durchbrochen, an der achten Seite im Nordosten steht ein runder Treppenturm. Den Vierungsturm deckt ein verschiefertes Kegeldach.

Von dem mittelalterlichen Langhaus war nach dem Abbruch zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur noch das östliche Seitenschiffjoch auf der Südseite mitsamt seiner Wölbung erhalten. Die wenigen Reste geben zu erkennen, daß die Seitenschiffe mit Strebepfeilern besetzt waren und sich in Fenstern öffneten, die denjenigen der Apsiden ähnlich sind. Strebebögen zum Obergaden fehlten. Das niedriger als der Chor angelegte, basilikale Langhaus hatte einen triforienlosen Obergaden, der von Bündelpfeilern getragen wurde. Die einzelnene Langhausjoche waren rippengewölbt.

Die Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Westfassade stellt eine freie Rekonstruktion dar. Sie präsentiert sich mit einem zentralen, zwischen zwei Strebepfeilern eingespannten Portal in spitzbogiger Rahmung mit eingestellten, von Schaftringen gegliederten Säulen und einem Rundfenster im Tympanon. Darüber sitzt eine mächtige Rosette in einfachen Kreisformen, welche das Langhaus belichtet. Im Giebeldreieck befindet sich eine Dreiergruppe schlanker, von Säulchen und Wulstprofil begleiteter Spitzbogenfenster.

Das Innere. Wesentlich bestimmt wird der Innenraum von der im düsteren Halbdunkel liegenden Vierung mit ihrem aufragenden Kuppelgewölbe. Der zentralraumähnliche Charakter rührt von der Wiederherstellung des Kirchenschiffs im 19. Jahrhundert her, welche Formen der Frühgotik verwendete. Vorherrschend ist jedoch ein romanischer Raumeindruck, was letztlich in der Schwere der Wand- und Gewölbeglieder begründet ist.

Die von mächtigen Scheidarkaden eingezogenen Chornischen schließt jeweils ein rippenbesetztes Klostergewölbe ab. Im Hauptchor sind den Rippen diamantierte Kehlen beigeordnet. Im Innern wiederholt sich die am Außenbau beobachtete Fenstergestaltung. Lediglich die Säulen der gestreckteren Fenster des Hauptchores erhalten zusätzliche Schaftringe. Ein starkes, um die Kapitellkämpfer verkröpftes Gesims trennt Wand- und Gewölbezone.

Kleeblattbogig geschlossene Piscinen zieren die Südwand der Nebenapsiden. Die gebündelten Pfeiler von Chorjoch und Vierung, die sich aus einer Abfolge dreier unterschiedlich stark ausgebildeter Dienste zusammensetzen, tragen Gurtbogen, Schild- und Gewölberippen. Hier sind Dämonen, abweisende Fabel- und Mischwesen und heraldisch angeordnete Drachen in den Kapitellen zu entdecken; neben frühgotischen Knopsenkapitellen mit fleischig-wuchtigen Blättern.

Die detailreiche Wandgliederung in den Ostteilen setzt sich im Querhaus nicht fort. Nur noch das dreiteilige, gestaffelte Lanzettfenster mit überfangendem Rundbogen in der Stirnwand des südlichen Querarms weist einfassende Säulen mit Schaftringen auf, die den Chorfenstern nahe stehen. In der Westwand des südlichen Querarms saß ursprünglich ein zweibahniges Fenster mit einer spitzbogigen Blende, das durch ein Maßwerkfenster ersetzt wurde. Die jeweils aus drei, mit Schaftringen besetzten Diensten gebildeten Bündelpfeiler in der Südost- und Südwestecke schmücken Kapitelle mit naturalistischem Blattwerk. Darüber sitzen kräftig profilierte Kämpfer auf.

Mit dem vierbahnigen Fenster im nördlichen Querarm wurde bereits eine frühgotische Maßwerkform mit reich gestaltetem Couronnement realisiert. Der Übergang zu gotischem Maßwerk ist ebenso an den Fenstern der Ostwand des Querhauses zu beobachten. Während im südlichen Querarm noch zwei getrennte, leicht spitzbogig geschlossene und in die Mauer eingeschnittene Fenster plaziert sind, gestaltet sich die Nordseite schon mit einem zweibahnigen, voll ausgebildeten Maßwerkfenster mit bekrönendem Okulus, in den ein liegender Dreipaß einbeschrieben ist. Sowohl naturalistisches Blattwerk als auch frühgotische Knospenformen schmücken die Kapitelle.

In die Stirnwand des nördlichen Querarms ist ein spitzbogig geschlossenes Portal mit einbeschriebenem Dreipaß eingelassen. Weinlaub und Trauben zieren das reich profilierte Gewände im äußeren Bogenfeld. Eine Darstellung des Gotteslammes schmücke das innere Bogenfeld. Lose aufgelegtes, Efeu- und Weinlaub, das auch an dem nordwestlichen Eckpfeiler auftritt, umrankt die Querhauskapitelle. Die mit Schaftringen besetzten Dienste in der Nordostecke reichen dagegen bis zum Fußboden. Gebuste Kreuzrippengewölbe überspannen die ungleich proportionierten Joche der Querarme. Die Gewölbekappen sind aus Bruchstein gemauert und verputzt.

Die kreuzförmigen, getreppten westlichen Vierungspfeiler werden von vorgestellten Haupt- und eingestellten Nebendiensten gesäumt. Sie verleihen den Pfeilern den Eindruck von Bündelpfeilern. Jeweils die Scheid- und Gurtbögen tragenden Hauptdienste sind diagonal gestellt. Während die östlichen Pfeiler noch Schaftringe gliedern, die sich als Gesims zur Kapitellzone der Nebenapsiden fortsetzen, steigen die Dienste an den westlichen ohne Zäsur zum Gewölbe auf. Alle vier Pfeiler bekrönen reiche Kapitellgruppen mit frühgotischen Knospenformen, Eichen- und Weinlaub.

Der Innenraum war ursprünglich farbig gefaßt. Die Fassung wurde nur im Vierungsgewölbe nach Befund rekonsturiert.

Ausstattung. Von der originalen Ausstattung ist der spätromanische Kastenaltar erhalten, welcher von seinem ehemaligen Standort über der Gruft im Chorpolygon in das Vorchorjoch versetzt wurde. »In dem aus Quadern aufgemauerten Stipes befand sich das Sepulcrum dicht unter der Mensa auf der Vorderseite. Durch eine breite Öffnung war das Innere von hinten her zugänglich, und von hier aus bestand durch eine kleine quadratische Öffnung in der Bodenplatte des Altars eine Verbindung zu der unterirdischen Gruft.« (Dölling, 1988, S. 9) Erwähnenswert sind noch die beiden Apostelfiguren, die in der katholischen Pfarrkirche aufgestellt sind und vermutlich dem gotischen Westportal der Propsteikirche zugehören.

Erst mit dem Wiederaufbau der Kirche Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch die Ausstattung komplettiert. So erhielt die Kirche eine neue Verglasung, welche mittelalterliche Glasmalerei zu imitieren sucht. Neben einfachen Ornamentscheiben im Langhaus sind besonders das westliche Rosenfenster mit einer Darstellung der Bergpredigt (1894/95 / Fritz Geiger, Freiburg), die Querarmfenster mit einer Anbetung Christi im nördlichen und einer Verklärung Christi im südlichen Querarm (beide um 1850) sowie Szenen aus dem Leben Christi in den Chorfenstern (Christus im Haus der Martha, Kreuztragung, Grablegung, Auferstehung, 1890 / Heinrich Oidtmann, Linnich) zu nennen. 1970 schuf Karl Schuke aus Berlin für das 1903 angefertigte, neugotische Gehäuse ein neues Orgelwerk. Das von dem Bildhauer E. Koch gefertigte Prospekt mit gotischem Gesprenge bemalte 1909 Josef Bernhard aus Kevelar u.a. mit musizierenden Engeln.

Die Spoliensammlung

Die Initiative zur Sammlung abgebrochener Steine der ehemaligen Benediktinerpropsteikirche geht auf Karl Metz zurück. Ihm ist es zuzuschreiben, daß die Klosterkirche wiederaufgebaut wurde. Bereits in seinem Aufsatz zur Restaurierung der Klosterkirche von 1890 erwähnt er die Architekturfragmente. Hieraus läßt sich außerdem schließen, daß auch ein bedeutender Teil der Spoliensammlung auf den Abbruch und die Restaurierung der Kirche im 19. Jahrhundert zurückzuführen ist. Ein weiterer Teil entstammt der jüngsten Restaurierung der Ostpartie aus den 1960er Jahren. In beiden Fällen begründen die hohe handwerkliche Qualität der Offenbacher Spolien und ihr anerkannter kunsthistorischer Wert ihre Erhaltung.

Ästhetisch-wissenschaftliche Gründe dürften auch für die Bitte des Rheinischen Provinzialkonservators Paul Clemen an Pfarrer Metz 1894 geltend gemacht werden, einige ausgewählte Spolien für eine Vorbildsammlung des damaligen Rheinischen Provinzialmuseums, des heutigen Rheinischen Landesmuseums zu übernehmen. Die angeforderten Steine, darunter Kapitelle, Maßwerk-, Gesims- und Gewölbeversatzstücke befinden sich noch heute in Bonn. Pars pro toto veranschaulichen die Spolien dort die formtypologischen Besonderheiten und stilistischen Entwicklungen der Offenbacher Architektur und dokumentieren die kunsthistorische Bedeutung der heute nahezu vergessenen Klosterkirche.

Metz verfolgte ein didaktisches Konzept zur Präsentation der Architekturfragmente. So schreibt er 1902 in einem Brief an den Direktor der Pfälzischen Eisenbahnen, Geheimrat von Lavale: »Die betreffenden Steine, welche an sich nicht wertlos sind, haben jedoch für die Abteikirche selber einen großen baugeschichtlichen Wert. Ich habe bereits im Laufe der Jahre eine größere Anzahl solcher baugeschichtlich wertvollen größeren und kleineren Fundstücke, Reste von Kapitälen, Sockelstücken, Rosetten, Maßwerk-Fenstern u.s.w. gesammelt und im Nebenchor der Abteikirche aufstellen lassen.« In seiner richtigen Einschätzung als zur Klosterkirche gehörige Steine stellt sie Metz auch in ihr aus. An ihrem ursprünglichen Ort ermöglichen sie dem Betrachter einen Vergleich mit den in situ befindlichen Architekturgliederungen. Daß den Fragmenten als Zeugnisse von der mittelalterlichen Kirche ebenso eine Wertschätzung zuteil wurde, belegen die vielfach anzutreffenden, vermauerten Spolien. Auf diese für den Ort typische Weise wurde auch die aus Spolien zusammengesetzte Futtermauer im südwestlichen Bereich der Kirche errichtet. Weitere Fundorte können in Offenbach selbst ausfindig gemacht werden. Beispielsweise seien die Zierglieder und Blöcke in der Haus- und Grabenmauer zum Golschbach, Klosterstraße 17 oder diejenigen auf der Treppe und in einer Mauer zum katholischen Pfarrgarten genannt.

Mittlerweile ist durch das Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz eine Inventarisation der Spolien erfolgt, wodurch der genaue Umfang der Sammlung sowie die Herkunft der Steine ermittelt werden konnte. So wurden die insgesamt 175 Spolien im März 1998 erstmals systematisch erfaßt, d.h. vermessen, fotografiert und beschrieben. Aufgrund der Maße und der charakteristischen Details gelang es, die überwiegende Anzahl der Fragmente, selbst sehr kleine, stark beschädigte oder verwitterte Teile, innerhalb des Kirchenbaus exakt zu lokalisieren. Hier seien eine Gruppe von Sockeln mit Tellerbasen genannt, welche dem südwestlichen Vierungspfeiler zuzuordnen sind. Jede Spolie wurde immer mit dem Kirchenbau selbst verglichen, um die Steine einerseits anhand der Profilierungen zu identifizieren und um ihren ehemaligen Standort ausfindig zu machen. Besonders historische Fotografien und Bauaufnahmen des 19. Jahrhunderts ermöglichten es, einzelne Bruchstücke der Kirche zuzuordnen, die durch den Abbruch des frühen 19. Jahrhunderts verloren gegangen sind. In diesen Fällen wurden die Spolien aufgrund stilistischer und formtypologischer Ähnlichkeiten der ehemaligen Klosterkirche mit einiger Wahrscheinlichkeit zugesprochen; so z.B. Rippen- und Bogenfragmente. Erfolgreich war ebenso die Auswertung von Archivmaterial, wenn es darum ging, weitere Spolien ihrem originalen Anbringungsort zuzuweisen. U.a. fanden sich Vertragsentwürfe für neue Bildhauerarbeiten mit genauen Auflistungen zu ergänzender Steine oder Vorlagenrisse. Teilweise konnte jedoch auch nur ein hypothetischer Zusammenhang hergestellt werden, so überwiegend bei Arkadenprofilen und einigen Fragmenten von Baldachin- bzw. Tabernakelbekrönungen, die vermutlich der verlorengegangenen Westfassade entstammen.

Zuletzt muß auf Bruchstücke verwiesen werden, die mit dem Kirchenbau nicht in Verbindung stehen. Es handelt sich um zwei Gruppen romanischer Basen und Kapitellformen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit der Vorgängerkirche des 12. Jahrhunderts bzw. den frühen Klausurgebäuden zuzuweisen sind. Sie liefern wichige Erkenntnisse über die mögliche Gestaltung des Vorgängerbaus, der bislang noch nicht näher erforscht ist. Denkbar ist, daß die Steine zum ehemaligen Kreuzgang gehörten und dort eine Arkadenreihe schmückten. Weiterhin gibt es Spolien, die weder am Kirchenbau noch auf Fotografien oder Plänen zu finden waren. Über die Herkunft dieser Steine läßt sich allenfalls spekulieren. Hier muß eine weiterführende Bearbeitung die noch offenen Fragen klären.

Insgesamt ermöglichte die Erfassung eine Einteilung der Spolien in verschiedene typologische Gruppen, wie Basen, Sockel, Maßwerk, Kapitelle u.ä. sowie zu ca. 90% eine genaue Zuordnung zur ehemaligen Propsteikirche.

Mit der Sammlung und Präsentation der Spolien inner- und außerhalb der Pfarrkirche wird ein wichtiger Beitrag zur Offenbacher Stadt- und Kirchengeschichte geleistet. Die Architekturfragmente stehen als Teil des Ganzen, leisten Ersatz für das Verlorengegangene und geben Zeugnis von dem hohen künstlerisch-handwerklichen Niveau der Steinmetzarbeit des 13. Jahrhunderts im heutigen Kreis Kusel.

Literatur: Georg Christian Crollius, Bevis Notitia Historico Diplomatica de Cella S. Mariae in Offenbach ad Gladem, 1769 (auch in: Evangelisches Pfarrarchiv Offenbach, Akte (15)-70). – Regine Dölling, Die ehemaligen Benediktinerkirchen in Offenbach am Glan und Sponheim, (Rheinische Kunststätten, 151), hg. vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Neuss ³1988. – Manfred Fath, Die Baukunst der frühen Gotik im Mittelrheingebiet, in: Mainzer Zeitschrift, 63/64, 1968/69, S. 1-3; 65, 1970, S. 43-92. – Felix Horbach, Geschichte der Benediktinerpropstei St. Marien zu Offenbach am Glan, Manuskript o.J., (Evangelisches Pfarrarchiv Offenbach, Akte (15)-71/1-0). – Jürgen Kaiser, Die Zisterzienserabteikirche Otterberg und die spätstaufische Baukunst am Oberrhein, (Veröffentlichung der Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln, 64), hg. von Günther Binding, Köln 1998. – Hermann A. Krabbe, Offenbachs alte Kirche, in: Westrichkalender 1929. – Dieter Kimpel; Robert Suckale, Die gotische Architektur in Frankreich 1130-1270, München 1985. – Karl Metz, Offenbach am Glan. Restauration der Benediktinerabteikirche, in: Berichte über die Thätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmalpflege in der Rheinprovinz und der Provinzialmuseen zu Bonn und Trier, I, 1896, S. 42-49. – Andrea Pufke, Ehemalige Benediktinerpropsteikirche in Offenbach am Glan, Inventarisation der Spolien, unveröffentlichtes Manuskript im Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Mainz 1998. – C. W. Schmidt, Baudenkmale der römischen Perioden und des Mittelalters in Trier und seiner Umgebung, III. Lieferung, Trier 1841. – Ernst Schmidt, Ein Edelstein deutscher Baukunst: Die Abteikirche zu Offenbach am Glan, (Heimatkalender des Landkreises Birkenfeld), 1956. – August Senz, Ein Blick in das Glanthal, in: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk, Jg. I., Berlin 16.9.1888, Nr. 10. – August Senz, Die Klosterkirche in Offenbach am Glan, (Sonderdruck aus der Zeitschrift für Bauwesen, Jg. 1889), Berlin 1890. – Dethard von Winterfeld, Die Kaiserdome Speyer, Mainz, Worms und ihr romanisches Umland, Würzburg 1993. – Gerhard Voss, Aus Vergangenheit und Gegenwart der ehemaligen Propsteikirche in Offenbach/Glan, (Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld, Sonderheft 15), Weißenthurm/Rhein 1968. – Akten des Evangelischen Pfarrarchivs Offenbach: (2)-1; (2) 03-1; (4)-1; (15)-71/1-0; (16)-2.

Abbildungen

– Grundriß der Kirche nach Fath

– Ansicht der Kirche von Osten, außen (Postkarte)

– Ansicht der Kirche von Westen, außen

– Ansicht der Kirche von Südwesten, Zustand nach 1894 mit provisorischer Abschlußwand

– Inneres nach Osten (Postkarte)

– Inneres des Vierungsturms (Postkarte)

– Inneres, nördlicher Querarm nach NO

– Inneres, südlicher Querarm nach SO (Fath, Tafel 2, c)

– Inneres, Kapitellzone nordöstlicher Vierungspfeiler

– Inneres, Kapitellzone nordwestlicher Vierungspfeiler

– evtl. Inneres, Detail Konsole in der Nordwestecke des Querschiffs (Fath, Tafel 4, b)

– Detailaufnahme einer Spolie (Baldachinbekrönung) / mehrerer Spolien (Blick in das Spolienlager)